OLG München, Beschluss vom 19.04.2021 – 28 U 7274/20 Bau – 

BGH, Beschluss vom 10.05.2023 – VII ZR 414/21 – (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

BGH, Urteil vom 06.07.2023 – VII ZR 151/22 –

Die Gefahren des Geschäftsmodells „Handwerker-Widerruf“

Sachverhalt:

In dem vom OLG München entschiedenen Fall ging es um Folgendes:

Ein Auftraggeber (AG) beauftragte einen Dachdecker (AN) mit Dachdeckerarbeiten. Nachdem das Dach fertig saniert worden war durch den AN widerrief der AG den zehn Monate vorher geschlossenen Vertrag. Der AN möchte sich dies nicht gefallen lassen und klagt seinen Werklohn ein. AG meint demgegenüber, dass er mangels Widerrufsbelehrung das Recht habe, den Vertrag innerhalb von einem Jahr und 2 Wochen zu widerrufen. Dies will der AN nicht akzeptieren.

Urteil:

AN verliert den Rechtsstreit.

Die Parteien hatten unstreitig die Vertragsanbahnung und den Vertragsabschluss nicht in den Geschäftsräumen des AN durchgeführt. Mithin lag ein Außer-Geschäftsraum-Vertrag vor. Eine Widerrufsbelehrung hatte der AN dem AG unstreitig ebenfalls nicht zukommen lassen.

Mithin bestand zu Gunsten des AG ein Widerrufsrecht gemäß § 312 b Abs. 1 Satz 1 BGB von einem Jahr und 14 Tage ab Vertragsabschluss. Dies folgt unmittelbar aus den §§ 356 Abs. 3 Satz 2, 355 Abs. 2 Satz 2 BGB. Der Widerruf 10 Monate nach Vertragsabschluss erfolgte mithin rechtzeitig. Die Konsequenz war, dass der Vertrag gemäß § 355 BGB als nicht geschlossen gilt. Aufgrund der fehlenden Widerrufsbelehrung erhält der AN für seine bis dahin erbrachten Leistungen keinen Wertersatz gemäß § 357 a Abs. 3 BGB.

Da auch kein sogenannter Verbraucherbauvertrag geschlossen worden war, bei dem alle Leistungen für ein Gesamtbauvorhaben „in einer Hand liegen“ und in dem dann gemäß § 357 e BGB immerhin ein Wertersatz zu leisten ist, geht der AN leer aus. Auch einen Anspruch auf Herausgabe der verbauten Materialien hatte der AN nicht, weil diese mit der Montage wesentlicher Bestandteil des Gebäudes geworden sind und der AN mithin hieran sein Eigentum per Gesetz gemäß § 946 BGB an den AG verloren hatte.

fazit:

Wie bereits im weiteren Beitrag zum Thema ausgeführt, ist das Widerrufsrecht im Rahmen des Verbraucherschutzes ein extrem scharfes Schwert zu Gunsten des AG. Auch wenn dies „ungerecht“ erscheint, kommt der AN an der gesetzlichen Regelung nicht vorbei. Der AG, der Verbraucher ist, kann die bis zum Widerruf erbrachte Leistung „umsonst einstreichen“ und mithin auch Abschlagszahlungen zurückverlangen. Aufgrund der Verbindung des Materials mit dem Gebäude und dem damit verbundenen Eigentumsübergang auf den AG kann der AN auch das Material nicht herausverlangen. Wie bereits unter Hinweis auf die Rechtsprechung des OLG Karlsruhe, Beschluss vom 14.04.2023 – 8 U 17/23 – dargestellt, unterliegen auch die Nachträge bei Außer-Geschäftsraum-Verträgen dem Widerrufsrecht.

AN kann daher nur dringend angeraten werden, den Vertrag mit dem Verbraucher in den eigenen Geschäftsräumen zu schließen. Dann bedarf es keines Widerrufsrechts. Oder aber in den Fällen, in denen Außer-Geschäftsraum-Verträge vorliegen muss AN den AG über das Widerrufsrecht belehren und die Widerrufsbelehrung auch dokumentieren.

Ein gewisses Korrektiv hat der Bundesgerichtshof (BGH) im oben angesprochenen Urteil vom 06.07.2023 – VII ZR 151/22 – vorgenommen. Darin hat der BGH entschieden, dass ein Vertragsschluss bei gleichzeitiger Anwesenheit der Parteien außerhalb von Geschäftsräumen im Sinne von § 312 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB nicht vorliegt, wenn der Verbraucher AG ein vom AN am Vortag unterbreitetes Angebot am Folgetag außerhalb von Geschäftsräumen lediglich annimmt. Damit möchte der BGH wohl versuchen, dem „Wildwuchs“ der widerrufenen Werkverträge entgegenzutreten.

Autor:

Rechtsanwalt Goetz Michaelis

Fachanwalt für Baurecht und Architektenrecht  

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