OLG Hamm, Urteil vom 09.02.2023 – 24 U 77/21 –

Hohes Risiko für auftragnehmer: Leistungsverweigerung wegen nachtragsstreitigkeiten

Sachverhalt:

Ein Unternehmer (AN) wurde von einem Auftraggeber (AG) beauftragt, Putzarbeiten an einer noch zu errichtenden Gartenmauer durchzuführen. Die zu verputzende Fläche wurde vom AG mit ca. 100 qm angegeben und hierfür ein bestimmter Werklohn in Höhe von gut 5.000,00 € vereinbart. Vor der Ausführung kommt es zu bauseitigen Änderungen in der Planung der Mauer. Nach Errichtung der geänderten Mauer fordert AG den AN auf, die Putzarbeiten auszuführen.

AN meldet Bedenken wegen der nach Vertragsschluss geänderten Planung der Mauer und wegen aus seiner Sicht unzureichender Vorarbeiten an. Er stellt ein Nachtragsangebot über nochmal ca. 5.900,00 € und macht ausdrücklich die Aufnahme der Arbeiten davon abhängig, dass der Nachtrag nach Grund und Höhe beauftragt wird. Dies geschieht nicht.

Nach entsprechenden Fristsetzungen erklärt AG daraufhin die Kündigung des Werkvertrages und verlangt von AN die Erstattung der Mehrkosten, die durch die Beauftragung eines Ersatzunternehmers entstanden sind.

Streitig war mithin die Beantwortung der Frage, ob AN einen wichtigen Grund zur Kündigung des AG gesetzt hat, in dem er die Ausführung der Arbeiten von der Beauftragung des Nachtrages abhängig gemacht hat.

Urteil:

AN verliert in dem Rechtsstreit und muss Schadensersatz leisten.

AG war berechtigt, von AN die Ausführung der geänderten Leistungen zu verlangen. AN stand kein Leistungsverweigerungsrecht zu.

Das OLG weist darauf hin, dass nur in extrem seltenen Fällen AN die Ausführung von Nachtragsleistungen von deren vorheriger ausdrücklicher Beauftragung nach Grund und Höhe abhängig machen darf. Es sind die Fälle, in denen die Durchführung der Nachtragsleistungen für den AN unzumutbar sind und daher gegen Treu und Glauben im Sinne von § 242 BGB verstoßen. Dies wird jedoch in der Rechtsprechung sehr restriktiv gehandhabt. Grundsätzlich ist der AN vorleistungspflichtig und muss daher auch bei Streit über Nachträge die angeordneten Leistungen ausführen.

fazit:

Wie bereits mehrfach dargestellt, ist es für einen AN äußerst riskant, die Arbeiten einzustellen. Streitfälle berechtigen grundsätzlich den Auftragnehmer nicht, die Arbeiten einzustellen. Dies folgt bei einem VOB-Vertrag bereits aus § 18 Abs. 5 VOB/B.

Nur in den Fällen, in denen der AG kategorisch grundlos das Bestehen von Nachträgen verneint, kann der AN die Arbeiten einstellen. Wenn jedoch, wie häufig, nur Streit über die Höhe des Nachtrags besteht, dem Grunde nach der Nachtrag jedoch unstreitig ist, besteht kein Leistungsverweigerungsrecht. Dies umso mehr, als durch die Beauftragung des Nachtrags dem Grunde nach feststeht, dass der AN die tatsächlich erforderlichen Kosten für die durchzuführenden Arbeiten erhält. Dies gilt sowohl bei BGB -als auch bei VOB-Werkverträgen.

Selbst wenn ein AN Bedenkenhinweise erteilt und der AG diesen nicht folgt, sondern die Leistungen anordnet, muss AN die Arbeiten ausführen. Eine Ausnahme besteht nur in den Fällen, in denen bei Fortsetzung der Arbeiten eine konkrete Gefahr für Leib und Leben besteht. Dies sind aber in der Baupraxis Ausnahmefälle.

Das Einstellen der Arbeiten ist somit für den AN grundsätzlich ein „Spiel mit dem Feuer“.

Das einzige „scharfe Schwert“ um die Arbeiten ohne rechtliche Risiken einstellen zu können, liegt für den AN in der Möglichkeit, eine Bauhandwerkersicherheit gemäß § 650 f BGB von dem AG zu verlangen innerhalb einer angemessenen Frist. Wird die Sicherheit dann nicht gestellt, kann der AN tatsächlich ohne Risiko die Arbeiten einstellen und auch den Vertrag kündigen sowie die Sicherheit einklagen.

Autor:

Rechtsanwalt Goetz Michaelis

Fachanwalt für Baurecht und Architektenrecht  

ANWALTSKANZLEI MICHAELIS, Werne

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