OLG Karlsruhe, Beschluss vom 14.04.2023 – 8 U 17/23 – 

OLG Düsseldorf, Urteil vom 01.06.2023 – 22 U 100/23 –

Wann kann ein bauherr, der verbraucher ist, einen werkvertrag widerrufen?

Sachverhalt:

In dem von dem OLG Karlsruhe entschiedenen Verfahren ging es um Folgendes:

Ein privater Bauherr, der Verbraucher ist (V) beauftragte einen Bauunternehmer (U) verschiedene Bauleistungen zu erbringen. Alle Verträge wurden mündlich auf der Baustelle geschlossen. U belehrte den V nicht über ein Widerrufsrecht. U erbrachte Leistungen und V leistete Abschlagszahlungen. Im Anschluss kam es zum Streit zwischen den Parteien.

V erklärte daraufhin den Widerruf aller Verträge und forderte seine Abschlagszahlungen zurück. U verlangte demgegenüber im Wege der Widerklage weitere offene Restwerklohnzahlungen. Das Landgericht gab der Klage des V statt und wies die Widerklage ab, da V die Verträge wirksam gemäß §§ 312 b Abs. 1 Nr. 1, 312 g Abs. 1 BGB widerrufen habe. Hiergegen wendet sich die Berufung des U.

Urteil:

U unterliegt in dem Rechtsstreit.

Das OLG Karlsruhe begründet diese Entscheidung damit, dass die Parteien die Bauverträge mündlich auf der Baustelle geschlossen haben. Dabei handelt es sich dann um „Außer-Geschäftsraum-Verträge (AGV-Verträge)“ im Sinne von § 312 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB. Bei AGV-Verträgen steht V ein Widerrufsrecht gemäß § 312 g Abs. 1 BGB zu. Da U unstreitig V hierüber nicht belehrt hatte und die Widerrufsfrist von einem Jahr und zwei Wochen gemäß § 356 Abs. 3 Satz 2 BGB nicht abgelaufen war, war der Widerruf auch noch nach mehr als zwei Wochen möglich.

Dies führt dazu, dass U für seine Leistungen weder eine Vergütung noch Wertersatz von V beanspruchen kann gemäß § 357 a Abs. 2 BGB. Unerheblich ist dabei, ob es sich um Nachträge zu einem bestehenden Vertrag handelte. Wurden Nachtragsvereinbarungen auf der Baustelle geschlossen, besteht auch bei solchen Zusatzvereinbarungen jedenfalls die abstrakte Möglichkeit, dass V beim Abschluss unter „psychischen Druck“ stand und dies allein das Widerrufsrecht aus §§ 312 b, 312 g BGB rechtfertige.

Bezüglich des Inhalts einer Widerrufsbelehrung hat das OLG Düsseldorf in der zitierten Entscheidung dargelegt, dass diese den Namen, die ladungsfähige Anschrift und die Telefonnummer desjenigen, gegenüber dem der Widerruf zu erklären ist, enthalten muss. Die geforderten Angaben müssen in einer einheitlichen Belehrung zusammengefasst werden.

Der Widerruf muss auch nicht als solcher ausdrücklich benannt werden.

Dies gilt insbesondere auch bei einem sogenannten Verbraucherbauvertrag im Sinne von § 650 i BGB. Dort ist – sofern dieser nicht notariell beurkundet wurde – ebenfalls ein Widerrufsrecht zu Gunsten des V vorgesehen gemäß § 650 l BGB.

fazit:

Der Verbraucherschutz spielt im Bauvertragsrecht eine immer weiter zunehmende Rolle. Dies wird von vielen Unternehmern sträflich verkannt mit fatalen finanziellen Konsequenzen.

Wird ein Vertrag über die Ausführung von Bauleistungen mit einem privaten Auftraggeber (Verbraucher) außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen (AGV-Vertrag) steht dem Verbraucher nach § 312 g BGB ein Widerrufsrecht zu, über das der Verbraucher durch den Unternehmer zu belehren ist. Erfolgt die Belehrung nicht und übt der Verbraucher sein Widerrufsrecht aus, nachdem die Leistungen ausgeführt worden sind, hat der Auftragnehmer keinen Anspruch auf Vergütung. Dies ist vom Europäischen Gerichtshof bestätigt worden. Die Belehrungspflicht besteht nach der oben dargestellten Entscheidung des OLG Karlsruhe nicht nur bei Abschluss des „Hauptvertrages“, sondern auch bei der Beauftragung von Nachträgen. Dies gilt selbst dann, wenn der Hauptvertrag selbst kein AGV-Vertrag ist.

Dies bedeutet für den Auftragnehmer im Klartext, dass auch in der laufenden Vertragsdurchführung dieser gegenüber einem Verbraucher stets bei Nachträgen an die Widerrufsbelehrung denken muss!

Die Widerrufsfrist beträgt grundsätzlich 14 Tage. Wird jedoch nicht oder nicht korrekt auf das Widerrufsrecht durch den Unternehmer hingewiesen beträgt die Widerrufsfrist ein Jahr und zwei Wochen!

In aller Klarheit ist darauf hinzuweisen, dass im schlimmsten Falle der Auftragnehmer nichts für seine Leistung bekommt. Dies wurde seinerzeit von dem Vorsitzenden Richter des Kammergerichts, Herrn Retzlaff, auch als „Hinterhalt am Küchentisch“ tituliert.

Jeder Unternehmer sollte daher unbedingt darauf achten, einen privaten Auftraggeber/Verbraucher bei jedem Vertrag und jedem Nachtrag über das Widerrufsrecht nachweisbar zu belehren am besten durch Unterzeichnung durch den Verbraucher unter die Widerrufsbelehrung. Es sollte dann erst nach Ablauf der 14-tägigen Widerrufsfrist mit den Arbeiten begonnen werden. Erfolgt keine Widerrufsbelehrung besteht für den Unternehmer stets das Damokles-Schwert, dass er seine Leistungen umsonst erbringt.

Autor:

Rechtsanwalt Goetz Michaelis

Fachanwalt für Baurecht und Architektenrecht  

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