OLG Frankfurt, Beschluss vom 06.03.2023 – 29 U 115/22 – 

Sind Einwendungen bei der Geltendmachung einer Bauhandwerkersicherheit gemäß § 650 f bGB möglich?

Sachverhalt:

Ein Auftragnehmer (AN) wird von einem Auftraggeber (AG) beauftragt, die Bäder in dessen Haus zu sanieren. Nachdem die Parteien in Streit geraten waren, kündigt der AG dem AN den Werkvertrag.

Streitig ist zwischen den Parteien, ob die Kündigung aus wichtigem Grund erfolgt ist oder ob es sich um eine ordentliche Kündigung handelt.

AN rechnet seine erbrachte Leistung mit der Schlussrechnung ab. Zahlungen hierauf erfolgen durch den AG nicht. Daraufhin verlangt der AN nach der Kündigung eine Bauhandwerkersicherheit gemäß § 650 f BGB. AG weigert sich, eine Bauhandwerkersicherheit zu stellen. Er meint, dass er hierzu nicht verpflichtet sei, weil er den Vertrag aus wichtigem Grund gekündigt habe und ihm Gegenforderungen zustünden, mit denen er gegenüber der Werklohnforderung des AN aufrechnen könne.

Urteil:

AG verliert in dem Rechtsstreit gegen den AN.

Der BGH-Rechtsprechung folgend meint auch das OLG Frankfurt, dass ein Anspruch des AN gegen AG auf Gestellung einer Bauhandwerkersicherheit besteht. Unbeachtlich sei es, ob der zwischen den Parteien geschlossene Werkvertrag/Bauvertrag aus wichtigem Grund gekündigt wurde oder ordentlich. Auch nach einer Kündigung durch den AG behält der AN nämlich seinen Vergütungsanspruch für die bereits erbrachten Leistungen.

Selbst vermeintlich oder tatsächlich bestehende Gegenforderungen wie Schadensersatz- oder Vorschussansprüche hindern den AN nicht, eine Bauhandwerkersicherheit zu verlangen. Trotz möglicherweise sogar berechtigter Mängelrügen kann der AN vom AG verlangen eine Bauhandwerkersicherheit zu stellen. Ob dem Vergütungsanspruch des AN streitige Gegenforderungen des AG entgegenstehen bleibt im Prozess um ein Sicherungsverlangen nach § 650 f BGB außer Betracht.

fazit:

Diese Entscheidung zeigt einmal mehr sehr deutlich, dass außer in dem Falle, dass es sich bei dem AG um einen öffentlichen Auftraggeber handelt, jedem AG nur dringend angeraten werden kann im Falle der Geltendmachung eines Verlangens nach Stellung einer Bauhandwerkersicherheit gemäß § 650 f BGB dieser Forderung nachzukommen.

Es handelt sich bei der Bauhandwerkersicherheit um ein sehr scharfes Schwert zu Gunsten des AN. Einwendungen gegen dieses Verlangen sind – mit Ausnahme der Rechtsmissbräuchlichkeit, an die aber extrem strenge Anforderungen gestellt werden – ausgeschlossen.

AN muss dem AG lediglich eine angemessene Frist von z. B. 14 Tagen setzen, die Bauhandwerkersicherheit zu stellen. Erfolgt dies dann innerhalb der angemessenen Frist nicht, kann der AN ohne Risiko die Arbeiten einstellen, den Vertrag kündigen und die Sicherheit einklagen. Die Bauhandwerkersicherheit dient gerade dem Zweck, dass der AN schnell in den Besitz einer insolvenzsicheren z.B. Bürgschaft gelangt und nicht wie in normalen Bauprozessen möglicherweise über Jahre über den Werklohn als solchen streiten muss. Wichtig ist aber auch immer wieder zu betonen, dass der AN nur eine Sicherheit erhält und nicht den geltend gemachten Werklohn! Dies wird häufig von AN verkannt.

Das Sicherungsverlangen kann nach Vertragsabschluss, während der gesamten Bauausführung, nach der Abnahme und auch nach Kündigung wie vorliegend vom AN geltend gemacht werden.

Problematisch ist das Sicherungsverlangen nur dann, wenn entweder nach einer Kündigung auch der volle Werklohn abzüglich ersparter Aufwendungen und somit der entgangene Gewinn geltend gemacht wird oder aber wenn auch Nachträge abgesichert verlangt werden. In beiden Fällen bedarf es dann eines schlüssigen Sachvortrags hierzu.

Um diesen Unsicherheiten entgegenzutreten kann dem AN nur empfohlen werden, nach der Kündigung zunächst nur die tatsächlich erbrachten Leistungen durch eine Bauhandwerkersicherheit absichern zu lassen und auch bei einem Streit über Nachträge zunächst nur die unstreitige Hauptwerklohnforderung besichern zu lassen.

Autor:

Rechtsanwalt Goetz Michaelis

Fachanwalt für Baurecht und Architektenrecht  

ANWALTSKANZLEI MICHAELIS, Werne

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