Wie das Azubi-onboarding gelingen kann

Gut starten, gerne bleiben

Der erste Ausbildungstag steht vor der Tür – an die Regeln der Arbeitswelt müssen sich junge Menschen jedoch erst gewöhnen. Eine gute Willkommenskultur und eine umfassende Betreuung zum Ausbildungsstart sind jetzt das A und O: für eine erfolgreiche Integration und eine langfristige Bindung.

Gestern noch Schüler, heute schon Arbeitnehmer: Der Übergang zwischen Schule und Berufsleben ist nahezu fließend und für viele Neuankömmlinge in der Arbeitswelt nicht einfach. Sie müssen sich aus dem Stand an neue Menschen, neue Regeln, einen neuen Tagesablauf – aber auch an Anweisungen, eigenständiges und selbstständiges Arbeiten sowie die eigene Entscheidungskompetenz gewöhnen. Anders gesagt: An das komplette Gegenteil eines durchgeplanten Schultages.

„Der Übergang in einen neuen Lebensabschnitt fällt vielen Jugendlichen schwer, weil sie sich bislang nur im „Schonraum Schule“ bewegt haben“, erklärt auch Dr. Andreas Rausch gegenüber dem Handwerksblatt. Zusammen mit Forscherkollegen hat er am Lehrstuhl für Wirtschaftspädagogik der Universität Bamberg untersucht, wie sich neue Mitarbeiter gut in die ungewohnte Atmosphäre des Arbeitslebens integrieren lassen. Betriebswissenschaftler nennen diesen Prozess der Integration und Bindung „Onboarding“ (an Bord nehmen).

Der erste eindruck zählt: Mit Azubi-bindung gegen ausbildungsabbrüche

Die ersten Tage sind entscheidend. Wer jetzt alles richtig macht und den Neuen zeigt, dass sie willkommen sind, dass sie fachlich gut eingearbeitet und sensibel ins neue Team integriert werden, kann Ausbildungsabbrüche vermeiden. Kurzum: Wer sogenannte bindungsfördernde Maßnahmen vorbereitet und ergreift, fördert nicht nur Motivation und Selbstständigkeit, sondern trägt dazu bei, seinen Azubi im Unternehmen zu halten. Ein wichtiger Punkt.

Immerhin, das bestätigt beispielsweise der Berufsbildungsbericht 2019, liegen Ausbildungsabbrüche seit Langem auf hohem Niveau, zudem bleiben jährlich Zehntausende Ausbildungsplätze unbesetzt. Im Schnitt wurde in den letzten fünf Jahren jeder dritte bis vierte Ausbildungsvertrag wieder gelöst. Jugendliche der Generation Z sind sich ihrer Vorherrschaft aufgrund der geänderten Marktlage bewusst und stellen ganz eigene Vorstellungen und Anforderungen an ihren Lehrbetrieb.

Ausbilder sind also gut beraten, jahrelang praktizierte Arbeitsweisen im Bewerbungsprozess und unternehmensspezifische Handhabungen auf den Prüfstand zu stellen und anzupassen. Ziel sollte es sein, die Bindungsbereitschaft zu erhöhen. Zum Beispiel, indem eine optimale Willkommens-Kultur etabliert, eine Erhöhung der Ausbildungsqualität zu fokussiert, die erfolgreiche Integration gefördert, kontinuierliches Feedback gelebt und gezielte Maßnahmen zur langfristigen Bindung entwickelt und auch umgesetzt werden. Dazu gehört nicht nur, Altbewährtes zu nutzen, sondern auch Neues auszuprobieren. Angebote konsequent zu evaluieren und kontinuierlich anzupassen. Dafür geben die vier Phasen des Onboarding-Prozesses Orientierung.

Willkommen an Bord: Der Onboarding-Prozess

Beim Onboarding geht es darum, neue Mitarbeiter – allen voran Auszubildende – so ins Unternehmensgefüge zu integrieren, dass ein größtmögliches Commitment gestützt wird. Sobald sich Lehrlinge mit dem Lehrbetrieb verbunden und identifiziert fühlen, steigen Motivation, Engagement und Zugehörigkeitsempfinden. Doch wie sieht ein Onboarding-Prozess überhaupt aus?

Grundsätzlich gliedert sich der Prozess in vier Phasen:

1. Vorbereitungsphase (Preboarding):

Die Phase von der Vertragsunterzeichnung bis zum ersten Ausbildungstag – eine oftmals lange Zeit, in der Azubis in spe häufig noch einmal alles überdenken. In dieser Zeit geht es um das Kontakthalten, um das aktive Nutzen von Kommunikationsanlässen, das kann die Gratulation zur bestandenen Abschlussprüfung sein, die Einladung zu einem Sommerfest, einem Tag der offenen Tür oder Azubi-Treffen, die Unterstützung bei Wohnungssuche und Co. sowie Willkommensschreiben mit hilfreichen Informationen zur Vorbereitung: Wann geht es wo mit wem los, was erwartet die Neulinge, welche Kleidung ist angemessen, was sollen sie mitbringen sind nur einige Ideen, das Preboarding zu gestalten. Auch eine Betriebsführung nebst persönlichem Austausch, zu der auch Eltern eingeladen werden können, hilft, Nervosität und Unsicherheit abzubauen. Sendepause hingegen ist unprofessionell und nicht förderlich.

2. Orientierungsphase (Eintrittsphase):

Diese Phase erstreckt sich vom ersten Arbeitstag bis zum dritten Monat. Eine durchdachte Planung ist sinnvoll, dabei sollten Unternehmen jedoch stets den Reality-Check machen: Was kann man im eigenen Unternehmen umsetzen? Welche Ressourcen stehen zur Verfügung? Wie lässt sich der erste Azubi-Tag in den Arbeitsalltag integrieren, ohne die anderen Mitarbeiter zu sehr von der Arbeit abzuhalten? Und wie geht die Betreuung und Einarbeitung der Azubis dann weiter? Die Klassiker:

  • Freundlicher Empfang wie Begrüßung durch Chef, Ausbildungsleitung und -paten
  • Übersichtliche Informationsrunde zum Ablauf des ersten Tages sowie der ersten Wochen, erste Regeln, Anweisungen und weitere wichtige Informationen zu Arbeitssicherheit, Pausen, Etikette etc. In diesem Zuge kann auch eine Willkommens-Mappe mit allen wichtigen Fakten, Ansprechpartnern, ggfs. Produkten, und Dienstleistungen – aber auch zu Urlaubszeiten und -anträgen, Rechten und Pflichten, Informationen zum Berichtsheft und zur Arbeitszeiterfassung sowie Aspekten zu Sicherheit, Krankheit, Gesundheits- und Arbeitssicherheit übergeben werden. Ebenfalls hilfreich sind auch weiterführende Informationen zu Mittagsangeboten in Betrieb und Umgebung, zu Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten, zu Sozialleistungen und ergänzenden Angeboten und Unterstützungsmöglichkeiten.
  • Klare Einweisung: Hier geht es darum, den Neuankömmling in seine Arbeitsumgebung einzuführen (Arbeitsplatz/ Werkzeug/ Sprint/ Arbeitskleidung/…)
  • Erstes Kennenlernen: Neben dem Betriebsrundgang können auch spielerische Einführungs-Elemente eingebaut werden, um verschiedene Aufgaben zu lösen oder Stationen kennenzulernen. Teambuilding-Aktionen in der Eintrittsphase können ebenso spannend sein wie eine aktive Pausengestaltung.
  • Sicheres Ankommen: In der ersten Zeit kann mittels kurzer, doch intensiver Unterrichtseinheiten mit unternehmens- bzw. aufgabenspezifischen Inhalten erstes kompaktes Wissen vermittelt werden. Die Phase sollte immer wieder Raum für Fragen, aber auch für das Kennenlernen von Kollegen und Kolleginnen bieten. Förderlich ist auch die Übertragung erster eigener Aufgaben, die selbstständig angegangen werden können.

Checklisten für einen guten start

Das Aubi-Plus White-Paper „Neue Auszubildende mit geplantem Onboarding erfolgreich ins Unternehmen integrieren und langfristig binden“bietet mit Der erste Ausbildungstag – Vorbereitung: To Do’s vor dem ersten Ausbildungstag sowie Der erste Ausbildungstag – Durchführung: Ideen für den ersten Ausbildungstag zwei hilfreiche Checklisten rund um den ersten Ausbildungstag.

3. Integrationsphase (Probezeit):

Von der Integrationsphase spricht man ab dem dritten Monat der Betriebszugehörigkeit und sie endet frühestens im sechsten Monat. Sie umfasst die Probezeit. Jetzt dreht sich alles um die nachhaltige Integration der (neuen) Azubis in den eigenen Betrieb. Im Fokus stehen einzelne Maßnahmen, die bestenfalls auf die individuellen Wünsche und Bedürfnisse der Mitarbeiter einzahlen. Was brauchen sie, wie können sie gefordert und gefördert werden, welche Entwicklungsmöglichkeiten und -chancen – und auch welche Form der Unterstützung können konkret geboten werden? Wichtige Aspekte für diese Phase sind neben Stichworten wie Betriebsklima, Teambuilding, Wertschätzung, Benefits und Mitgestaltung auch der Umgang mit Fehlern, eine offene und wertschätzende Kommunikations- und Feedbackkultur sowie Aspekte wie Transferleistungen und Aufgabenverteilung. Natürlich lässt sich nicht jedem Bedarf und nicht jedem Wunsch individuell begegnen. Dennoch ist es empfehlenswert, zumindest eine kleine „Toolbox“ an Bindungsmaßnahmen anzubieten und umzusetzen. Bestenfalls entsteht ein individueller Mix, der passend ist. Relevant dabei: Ausprobieren, evaluieren und bei Bedarf frühzeitig reagieren und anpassen.

4. Bindungsphase:

Zufriedenheit im Beruf bildet das Fundament für die Bindungsbereitschaft von Mitarbeitern. Nicht jeder ist hat die gleichen Bedürfnisse und Erwartungen – ein gut abgewogener wie ausgewogener Mix an Bindungsmaßnahmen ist daher ratsam. Dabei zählt jeder Tag: Mit Unterzeichnung des Ausbildungsvertrages ist noch keine Bindung gegeben, auf Loyalität darf zu diesem Zeitpunkt nicht gehofft werden. Umso wichtiger ist es, verschiedene Bindungsfaktoren von Anfang an zu berücksichtigen. Damit sind Optionen gemeint, die dazu dienen, Mitarbeiter im Unternehmen zu halten. Sogenannte Bindungsfaktoren sind stets von unterschiedlichen Einflüssen abhängig, die mitunter sehr individuell sind beziehungsweise subjektiv empfunden werden. Bedürfnisbefriedigung ist der wohl wichtigste Faktor.

Davon abgesehen treffen die meisten der nachstehenden, beispielhaften Bindungsfaktoren auf junge Mitarbeiter zu:

  • Abwechslungsreiche Tätigkeit
  • Arbeitsklima
  • Arbeitsplatzsicherheit
  • Eigenständigkeit
  • Ehrlichkeit von Anfang an (z.B.: was im Recruiting versprochen wird, muss eingelöst werden)
  • Entwicklungsmöglichkeiten
  • Feedbackkultur
  • Gesundheitsmanagement
  • Leistungsgerechte Bezahlung
  • Mitbestimmung
  • Qualität der Ausbildung (sehr gut)
  • Unternehmensimage
  • Unternehmensstandort
  • Übernahmeangebote beziehungsweise Möglichkeiten nach der Ausbildung frühzeitig offerieren und unterstützen
  • Weiterbildungsprogramme während der/parallel zur Ausbildung
  • Work-Life-Balance (Prävention/Freizeit- und Gesundheitsangebote/Flexibilität bei Arbeitsplatz und -zeiten)
  • Zusatzleistungen/Zusatzvergütung

Eine Frage der Balance

Zum Thema Onboarding gibt es zahlreiche Tipps, Impulse und Ansätze. Nicht alle sind für alle gleich relevant oder gar umsetzbar, weil einzelne Betriebe und damit Best-Practice-Tipps nicht vergleichbar sind. Unternehmensgröße, finanzielle und personelle Mittel spielen dabei ebenso eine Rolle wie gewachsene Strukturen und Hierarchien. Gleichzeitig kann nicht jedem einzelnen Neuankömmling ein maßgeschneidertes Bindungsprogramm geboten werden. Das befreit jedoch niemanden, egal wie groß oder klein der Betrieb ist, egal wie eingefahren oder modern die Strukturen sind, von der Verantwortung, das Onboarding ernst zu nehmen. Sich zu bewegen, zu entwickeln und zu öffnen. Schon einfache wenige Mittel und etwas Zeit können den Unterschied machen.

Für besonders kleine Betriebe empfiehlt Andreas Rausch beispielsweise ein Vortreffen, bei dem ein bis vier Wochen vor dem Ausbildungsstart im persönlichen Gespräch die wichtigsten Fragen zur Arbeitstags-Struktur, zu Ansprechpartnern sowie wichtigen Dokumenten geklärt werden. Denkbar, so Rausch, sei auch, die erste Woche zur Orientierungsphase zu erklären und die Erwartungen zunächst nicht allzu hoch anzusetzen.

>>Auf den Punkt

Kompakte Tipps zum Nach- und Weiterlesen

Sie haben jetzt einen ersten Überblick, worum es beim Onboarding geht, wofür es wichtig ist und wie es sich ausgestalten lässt. Gerne empfehlen wir Ihnen weitere Quellen, damit Ihr individueller Onboarding-Prozess so gut wie möglich gelingt. Das Kompetenzzentrum für Fachkräftesicherung (Kofa) beispielsweise hat auf seiner Webseite die Phasen des Onboardings noch einmal übersichtlich erklärt und darüber hinaus viele wertvolle Tipps zum Onboarding von Auszubildenden, die über diesen allgemein gehaltenen Artikel hinausgehen, zusammengetragen. Hier finden Leser auch eine Checkliste für den ersten Tag sowie eine Willkommens-Mappe.

In der umfangreichen Broschüre „#AusbildungKlarmachen“ der Bundesagentur für Arbeit wiederum erfahren Ausbilder sowie Betriebe, die sich für das Ausbilden interessieren, wie sie Azubis finden, was sie tun müssen, um Azubis zu motivieren und wo sie Unterstützung finden, wenn es Probleme gibt.

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